Praxis

FEES oder VFS – Alternativen?

Alexander Fillbrandt Geschrieben von Alexander Fillbrandt · 3 Min. lesen >

Endoskopische Schluckuntersuchung (FEES)

Die FEES ist ein Verfahren zur bildgebenden Schluckdiagnostik. Dabei wird mit einer flexiblen Optik eine Kamera direkt im oberen Pharynx (Rachen) positioniert, um pathologische Abläufe wie Leaking, Penetration, Aspiration und Retention beobachten zu können.

Beschreibung der fiberendoskopischen Schluckuntersuchung

Video-Röntgen-Untersuchung (VFS)

Mit Hilfe eines Video-Röntgen-Gerätes wird der Patient während des Schluckens beobachtet. Auch bei dieser Bildgebung werden typische Pathologien im Ablauf des Schluckens beobachtet und dokumentiert.

Zwar ist die Situation der Nahrungsaufnahme im Rahmen der VFS eher unnatürlich und scheint die Strahlenbelastung des Patienten in manchen Fällen nicht zu rechtfertigen. Je nach Fragestellung aber ist die VFS aussagekräftiger als die FEES.

Die Notwendigkeit einer bildgebenden Schluckuntersuchung ist hinlänglich bekannt und Konsens. Allerdings stehen nicht in allen Einrichtungen diese Verfahren zur Verfügung. Daher sind dysphagiologisch tätige Logopädinnen und Logopäden immer noch auf Alternativen angewiesen.

Klinische Schluckuntersuchung (KSU)

Es gibt sehr viele unterschiedliche klinische Schluckuntersuchungen, die in Kliniken, Praxen und logopädischen Ordinationen zum Einsatz kommen. Sie sind teils individuell zusammengestellt oder werden aus der Literatur entnommen.

Allen gemein ist, dass sie die unterschiedlichen Funktionen des Schluckaktes betrachten und Auffälligkeiten notieren. Sichtbare Auffälligkeiten, denn im Unterschied zu bildgebenden Verfahren besteht keine Möglichkeit, die Effektivität des Schluckens und die Sicherung der Atemwege objektiv zu beurteilen.

  • Vigilanz und Compliance:
    Aufmerksamkeit, Vigilanz und die nötige Compliance sind wichtige Faktoren für die Beurteilung des Schluckaktes.
    Patienten, die sehr müde sind, sich nur sehr kurz auf eine Sache konzentrieren können oder auf Grund kognitiver Einschränkungen nicht in der Lage sind, adäquat auf ihr Störungsbild zu reagieren, haben ein erhöhtes Aspirationsrisiko.
  • Sensibilität:
    Sie ist für den regelrechten Schluckakt wichtig. Über die sensiblen Fasern der am Schlucken beteiligten Hirnnerven werden Informationen an das Gehirn und somit die Schluckzentren im Hirnstamm übermittelt, die für einen physiologischen Ablauf notwendig sind.
    Ist die Sensibilität für taktile und thermische Reize reduziert, können wichtige Informationen nicht an das Schluckzentrum gemeldet werden. Ist dies der Fall, besteht die Gefahr, dass wichtige Reaktionsketten nicht in Gang kommen oder Schutzmechanismen des Körpers nicht auslösen. Eine Überprüfung der Sensibilität schließt daher die Überprüfung der Reflextriggerung mit ein. Wichtig, aber nicht essentiell für den Schluckakt, ist der Würgereflex. Entscheidender ist das Auslösen des Schluckreflexes. Außerdem deutet zum Beispiel eine reduzierte Sensibilität in den Wangentaschen an, dass hier möglicherweise Residuen (Speisereste) verbleiben.
  • Motorik:
    Neben der Sensibilität wird im Rahmen der klinischen Schluckuntersuchung überprüft ob einzelne Bewegungen und Bewegungsmuster möglich sind. Zeigt sich im Rahmen der Untersuchung, dass die Zunge in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist, deuten sich hier bereits Probleme für die orale Vorbereitung des Schluckaktes an. Auch die Larynxelevation mit ihrer anterior-Bewegung, wird bei der klinischen Schluckuntersuchung überprüft. Sie lässt sich durch Palpation von Außen leicht kontrollieren.
    Die Überprüfung willentlicher Schutzmechanismen wie Husten und Räuspern ist ebenfalls wichtig: ist bereits das willkürliche Husten kraftlos, besteht die Gefahr, dass im Falle einer Aspiration der Hustenstoß nicht ausreicht, um die aspirierten Bolusteile wieder aus den Atemwegen zu entfernen.

Spezielle klinische Schluckuntersuchungen kümmern sich um konkrete Fragestellungen oder versuchen eine möglichst schnelle Durchführung zu garantieren.

Wasserschluck nach Daniels

Der Patient bekommt Wasser zu trinken. Zuerst 2x 5ml, dann 2x 10ml, dann 2x 20ml. Im Anschluss wird mit einer kurzen Stimmprobe der Stimmklang überprüft. Folgende Kriterien sind für die Auswertung wichtig:

  • Lässt sich eine Dysphonie beobachten?
  • Liegt eine Dysarthrie vor?
  • Lässt sich ein abnormer Würgereflex beobachten?
  • Kommt es zu abnormem willentlichen Husten?
  • Hustet der Patient nach dem Schlucken?
  • Ist der Stimmklang nach dem Schlucken verändert?

Bei zwei positiv beantworteten Fragen gilt der Wassertest nach Daniels als positiv – was in diesem Fall die Verdachtsdiagnose Dysphagie bedeutet.

Der Wassertest nach Daniels hat eine Sensivität von 92,7% und eine Spezifität von 66,7%. Damit erfüllt er die Kriterien der DGN.

Blau-Schluck – blue dye test

Bei Patienten, die mit einer Trachealkanüle versorgt sind, kann mit Hilfe eines sogenannten Blau-Schlucks Aspiration nachgewiesen werden. Der Speichel des Patienten wird blau eingefärbt. Nach einer definierten Zeitspanne wird der Patient durch die Trachealkanüle abgesaugt und dabei auf Verfärbungen geachtet. Das Absaugen wird in regelmäßigen Abständen wiederholt, damit auch verzögerte Aspiration erkannt werden kann.

Ist das Trachealsekret bläulich verfärbt, ist dies als Nachweis von Aspiration zu werten. Je nach Stärke der Färbung lässt sich auf die Menge an aspiriertem Speichel schließen. Damit der Blau-Schluck aussagekräftig ist, muss die Trachealkanüle entblockt sein, um eine weitgehend natürliche Situation zu schaffen. (Vgl. meine Antwort zu Schluckversuchen bei geblockter Trachealkanüle.)

Zwei weitere Varianten überprüfen jeweils Flüssigkeiten oder halbfeste Testkost. Diese werden ebenfalls jeweils blau eingefärbt und zum Nachweis von Aspiration gilt blau verfärbtes Sekret beim Absaugen.

Wichtig ist zu beachten, dass kein blue dye test Aspiration ausschließen kann.

Hingucken!

Stehen keine bildgebenden Verfahren wie FEES oder VFS zur Verfügung, um den Schluckakt zu überprüfen, gilt es, den Patienten sehr genau zu beobachten. Nicht nur durch eine klinische Schluckuntersuchung. Entzündungszeichen und Fieber sind bei schluckgestörten Patienten häufig ein Hinweis auf Aspiration. Sofern also mit einer Oralisierung begonnen wurde, sollten regelmäßige Kontrollen von CRP und Temperatur erfolgen. Auch können bei einer Thoraxaufnahme Infiltrate in der Lunge nachgewiesen werden und lassen so Rückschlüsse auf Aspiration zu.

Grundsätzlich sind Beobachtungen allein keine Alternative zur FEES. Die Schaffung nötiger Strukturen in Kliniken für die Durchführung der FEES und VFS sind dringend erforderlich, um Dysphagie-Patienten adäquat versorgen zu können. Ambulante Patienten sollten in Kliniken und Schluckambulanzen untersucht werden können.

Geschrieben von Alexander Fillbrandt
Alexander Fillbrandt ist Logopäde mit den Schwerpunkten Trachealkanülenmanagement und Dysphagie. Er schreibt gern über logopädische Themen und ist begeisterter Therapeut, Dozent und Autor. Profil

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