Hintergrund

Dysphagietherapie bei Morbus Parkinson

Dysphagien sind bei IPS und aPS nicht selten. Aber was ist besonders bei diesem neurologischen Störungsbild?

Alexander Fillbrandt Geschrieben von Alexander Fillbrandt · 3 Min. lesen >

Morbus Parkinson ist eine degenerative Erkrankung des extrapyramidal-motorischen Systems (EPS) oder der Basalganglien, die im Verlauf mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zu einer Dysphagie führt. Das Expiratory Muscle Strengh Training (EMST) hat sich als sehr effektiv erwiesen, aber auch andere Inhalte der Therapie sind erfahrungsgemäß effektiv. Welche Therapieverfahren helfen am besten in der Dysphagie-Therapie bei Morbus Parkinson?

Morbus Parkinson

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Sir William Richard Gowers Parkinson Disease

Bei Morbus Parkinson sterben die dopaminproduzierenden Nervenzellen mit der Folge, dass keine ausreichenden Mengen Dopamin mehr produziert werden können. Dopamin ist als als Botenstoff wichtig, da es die aktivierenden Funktionen innerhalb der Basalganglien unterstützt.

Die Basalganglien – so nimmt man bis heute an – sind für die Steuerung und Regelung motorischer, kognitiver und limbischer Aspekte zuständig: In einer Art Schleife werden solche Prozesse der Motorik aktiviert bzw. verstärkt, die in der aktuellen Situation wichtig sind und solche unterdrückt bzw. gedämpft, die momentan nicht wichtig sind. Durch einen Dopamin-Mangel fehlt die aktivierende Wirkung: Aktuell wichtige motorische, kognitive und limbische Prozesse werden nicht verstärkt.

Die Leitsymptomatik die sich daraus ergibt, besteht aus Bradykinese bis hin zur Akinese, Rigor, Tremor und postduraler Instabilität. Die zur Zeit gültige Definition des Morbus Parkinson fordert, dass neben der Bradykinese als Kardinalsymptom mindestens ein weiteres Leitsymptom vorhanden sein muss.

Durch das Fehlen der aktivierenden Funktion der Basalganglien können sich daneben noch vegetative, kognitive, psychische und sensible Störungen zeigen.

Dysphagie bei IPS und aPS

Die funktionellen Einschränkungen in Bezug auf das Schlucken, die sich daraus ergeben, sind vielfältig. Neuere Forschungen sehen einen Schwerpunkt der Dysphagie im Bereich des Ösophagus.

Tabelle Ursache der Dysphagie bei iPS und aPS

Störungen am Ösophagus in der Gegenüberstellung von IPS und aPS.

Bereits in sehr frühen Stadien der Erkrankung kann man mit einer hochaufgelösten Druckmessung (HRM) Störungen des oberen und unteren Ösophagussphinkters ausmachen; aber auch tubuläre Störungen über den gesamten Ösophagus hinweg.

Beim idiopatischen Parkinson-Syndrom kommt es eher zu einer gestörten Öffnung des oberen und unteren Ösophagussphinkters und verringerter Beweglichkeit des Ösophagus selbst. Bei atypischen Parkinson-Syndromen ergaben sich Hinweise auf Spasmen des oberen Ösophagussphinkters und ein erhöhter Druck im Ösophagus.

Bisher ging man in der Behandlung der Dysphagie eher davon aus, dass es zu Störungen der oralen und pharyngealen Phasen kommt.

Optimierte Inhalte der Dysphagie-Therapie

Neben den bisher eingesetzten Therapiemethoden kommt dem EMST (Expiratory Muscle Strength Training) eine hohe Bedeutung zu. Seine Evidenz ist belegt und das Training für Parkinson-Patienten einfach auch zu Hause durchführbar.

EMST: Kräftigung der submentalen Muskulatur

Die Kräftigung der Atemmuskulatur, im Besonderen die Muskulatur unterhalb des Kinns mit Hilfe des EMST hat einen nachweislich positiven Effekt auf den Schluckakt, die Kraft der Ausatmung und die Effektivität des Hustens. Daraus ergeben sich für Patienten mit Morbus Parkinson positive Effekte auf die Reinigungsfunktion der Atemwege bei Penetration und Aspiration. Eindrucksvoll belegen konnten das Troche et al 2010 mit Hilfe der Penetration-Aspiration-Skala (PAS nach Rosenbek).

Die EMST läuft wie folgt:

Ein Ventil mit einstellbarem Mindestdruck für die Öffnung wird genutzt um fünf mal am Tag gegen einen Widerstand kraftvoll auszuatmen. Im Verlauf von fünf Wochen wird der erforderliche Druck gesteigert.

Das EMST150 lässt sich in Deutschland und Österreich über EMST150.de beziehen.

Evidenz der Schluckmanöver

Susan Langmore hat sich in einer Metastudie auf die Suche nach der Evidenz der unterschiedlichen Schluckmanöver gemacht und ist dabei zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen.

Typische Interventionen bei Dysphagie-Patienten mit Morbus Parkinson sind neben dem Supraglottischen Schlucken vor allem solche Übungen, die einzelne Muskelgruppen kräftigen: Medelsohn-Manöver, Masako-Manöver und Shaker.

Eine Evidenz – um es kurz zu machen – konnte Langmore nur für Shaker und das EMST finden. Dass es auch eine Evidenz für die Wirksamkeit des Medelsohn-Manövers zu geben scheint, verwundert indes nicht, wird doch hier besonders der obere Ösophagus-Sphinkter trainiert.

Neben diesen drei Therapieverfahren bzw. Therapieinhalten gab es keine belegte Evidenz. Der Grund dafür ist unterschiedlich. So ist supraglottisches Schlucken keine Therapiemethode sondern nur ein kompensatorisches Schluckmuster und Therapiekonzepte die mit einem kommerziellen Ziel entwickelt werden, haben selten ein Interesse daran, die Wirksamkeit in Studien nachweisen zu lassen. Zu groß die Gefahr, dass es das Aus für den Verkauf und die Vermarktung wäre. Hier sei besonders das kostenintensive Konzept des LSVT genannt, das mit Hilfe von Verschwiegenheitserklärungen und registrierten Wordmarken eher negativ von sich reden macht.

Zusammenfassend sind folgende Inhalte in Bezug auf die Dysphagie für Patienten mit Morbus Parkinson nach aktueller Studienlage am sinnvollsten:

  • Diagnostik (FEES, VFS und HRM)
  • Mendelsohn-Manöver
  • Shaker-Training
  • Beweglichkeit fördern
  • frühzeitige Sicherung der Nährstoffversorgung
  • EMST

Fazit

Es braucht keine neuen Konzepte für die Therapie, es braucht Nachweise bestehender Therapie-Verfahren und verbesserte Diagnostik-Verfahren.

Der Diagnostik kommt eine besondere Bedeutung zu. Allein mit der FEES können tubuläre Störungen jedoch nicht erkannt werden. Die HRM sollte in den Werkzeugkoffer guter Diagnostiker übernommen werden.

Auch wenn die Studienlage ein etwas anderes Bild zeichnet, müssen wir Logopäden uns auch weiter auf unsere Erfahrung verlassen. Manche Therapieinhalte funktionieren auch bei Morbus Parkinson, ohne dass deren Evidenz belegt wäre. Das Ergebnis aus meiner Sicht ist, die eigene Therapieplanung mehr von ausführlicher Diagnostik abhängig zu machen und immer wieder zu fordern, dass die Forschung intensiviert wird.

Quellen

  1. Langmore, Susan E, and Jessica M Pisegna. “Efficacy of Exercises to Rehabilitate Dysphagia: a Critique of the Literature.” International Journal of Speech-Language Pathology, March 31, 2015, 1–8. doi:10.3109/17549507.2015.1024171.
  2. Troche, M., Okun, M., Rosenbek, J., Musson, N., Fernandez, H., Rodriguez, R., et al. (2010). Aspiration and swallowing in Par- kinson disease and rehabilitation with EMST. Neurology, 75, 1912–1919.
Geschrieben von Alexander Fillbrandt
Alexander Fillbrandt ist Logopäde mit den Schwerpunkten Trachealkanülenmanagement und Dysphagie. Er schreibt gern über logopädische Themen und ist begeisterter Therapeut, Dozent und Autor. Profil

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